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Blue Reflection: Second Light Review

Entwickler:         Gust, Koei Tecmo 
Publisher:          Koch Media
Genre:              JRPG
Plattformen:        Nintendo Switch, PC (Steam), PlayStation 4
Preis:              ca. 59,99 Euro 
Sprachen:           Englisch, Japanisch, Chinesisch (Ton nur Japanisch)
Offizielle Website: https://blue-reflection.com/secondlight/uk/

Endlich wieder ein Magical Girl sein

Eines der überraschendsten Rollenspiele in den letzten Jahren war für mich Blue Reflection. Das japanische Rollenspiel ist an Magical Girl angelehnt. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich ein Genre aus dem Bereich Manga und Anime, in dem gewöhnliche Mädchen zu Heldinnen werden und über magische Kräfte verfügen. Das wohl bekannteste Beispiel ist Sailor Moon. Weitere bekannte Vertreter sind zum Beispiel Magic Knight Rayearth und Card Captor Sakura aus der Feder von CLAMP. Vor allem Sailor Moon hat mich durch Kindheit und Jugend begleitet. Wie oft habe ich mir in meiner Jugend ein Sailor Moon-Spiel gewünscht. Tatsächlich gibt es sogar einige Games zu Sailor Moon, die meisten allerdings sind nie außerhalb Japans erschienen. Blue Reflection mag nicht das Sailor Moon-Spiel meiner Träume gewesen sein, aber es begeisterte mich dennoch. Endlich durfte ich in einem Game zum Magical Girl werden, mich verwandeln, ein zauberhaftes Outfit tragen und gegen das Böse kämpfen. Für mich ist mit dem Spiel ein Traum in Erfüllung gegangen und während ich hier so darüber schreibe, juckt es mir in den Fingern, die Disc auszugraben und einen neuen Spieldurchgang zu starten.

Mit Blue Reflection: Second Light ist im November sogar ein Nachfolger erschienen, den ich mir ebenfalls näher angeschaut habe. Das Spiel ist keine direkte Fortsetzung, sondern bietet neue Charaktere, eine eigene Story und auch sonst hat sich im Vergleich zum Vorgänger einiges getan. Hier und dort gibt es Bezüge zum Vorgänger, gespielt haben müsst ihr den allerdings nicht. Im Kern tritt Second Light in die Fußstapfen des ersten Serienablegers. Ihr erlebt die Geschichte mehrerer Mädchen, die alle mit Problemen konfrontiert werden und diese aufarbeiten, setzt im Kampf magische Fähigkeiten ein und kämpft damit gegen Monster. Die Umsetzung hebt sich deutlich hingegen ab. Entwickelt wurde auch Second Light von der japanischen Spieleschmiede Gust. Bekannt ist diese vor allem für die Atelier-Reihe. Fans werden die ein oder andere Parallele bemerken. Das Kampfsystem etwa ähnelt dem aus Atelier und hat damit nicht mehr viel mit dem des ersten Blue Reflection-Teils gemeinsam.

Beim Kampfsystem setzt das Spiel auf Echtzeit-Kämpfe.  Spielerisch ist es allerdings eher ein Mix aus Echtzeit und rundenbasiert. Waren rundenbasierte Kampfsysteme lange sehr populär in japanischen Rollenspielen, haben sich in den letzten Jahren zunehmend Echtzeit-Kampfsysteme und verschiedenste Hybriden durchgesetzt. Bahnbrechend ist das Kampfsystem in Blue Reflection: Second Light nicht. Ihr habt unten im Kampf eine Leiste, auf der eure Party und Widersacher mit einem Icon angezeigt werden. Der Leiste könnt ihr entnehmen, wer wann zum Zuge kommen kann. Warum kann? Eure Figuren nutzen im Kampf sogenanntes Ether. Für den Einsatz von Fähigkeiten wird Ether benötigt. Manche Fähigkeiten setzen eine höhere Menge davon voraus und können erst eingesetzt werden, wenn ihr nicht wild Fähigkeiten spammt, sondern lange genug ausharrt, damit genug Ether zusammenkommt. Dies verleiht dem Kampfsystem eine gewisse taktische Tiefe. Für zusätzliche Taktik sorgt die Supporter-Rolle. Im Kampf stehen euch drei Charaktere im direkten Kampf zur Verfügung und eine vierte Figur, die aus den hinteren Reihen unterstützt.

Da es sich um Magical Girl handelt, kommen natürlich auch Verwandlungen ins Spiel. In den Kämpfen erhöht ihr eure sogenannte Gears-Stufe. Erreicht ihr Stufe 3, verwandelt sich der Charakter. Zu meinem Leidwesen ist dies viel zu selten der Fall. Vor allem in Kämpfen gegen Trashmobs findet nur selten oder erst kurz vor Ende des Kampfes eine Verwandlung statt. In der Regel dann auch nur bei einer eurer Kämpferinnen. Die Verwandlung aller Mädchen erlebt ihr vor allem in Bosskämmpfen. Das Magical Girl-Feeling bleibt daher bisweilen auf der Strecke. Apropos Magical Girl … die Reflector-Outfits sind verglichen zu denen im Vorgänger wesentlich düsterer. Persönlich finde ich dies schade. Dies ist natürlich reine Geschmackssache und ich bin sicher, die düsteren Looks werden ihre Fans finden. Persönlich mag ich farbenfrohe, bunte, verspielte und eher fröhliche Magical Girl-Outfits lieber, weshalb mir der Vorgänger in diesem Punkt wesentlich besser gefallen hat. Magical Girl mag bisweilen recht kitschig sein, aber dafür liebe ich es. Vielleicht ist es ein wenig absurd, wenn die Mädchen in Wedding Peach in ausladenden Brautkleidern kämpfen – aber hey, warum eigentlich nicht? Verträumt und kitschig gehört für mich einfach dazu.

Zu den Highlights des Kampfsystems gehören für mich die One and One Fights. Löst ihr einen solchen aus, kämpft eines eurer Mädchen gegen einen einzelnen Feind. Dabei sind den Tasten A, B, X und Y jeweils eine Aktion wie Ausweichen, Angriff und Konter zugewiesen. Der Einsatz ist an einen Cooldown geknüpft, weshalb hier Taktik gefragt ist. Habt ihr ein Händchen für diese Begegnungen, könnt ihr mächtige Angriffe auslösen, die nicht nur optisch Eindruck machen, sondern auch euren Gegner empfindlich treffen. Momente, in denen so richtig Magical Girl-Feeling aufkommt. Während die Kämpfe überzeugen, nerven die zum Glück seltenen Stealth-Passagen. Die Schleicherei ist meist nur optional gefragt. Die Schleich-Passagen sind nervig, wenngleich von der Mechanik her völlig banal. Es nervt einfach nur, wenn ihr euch sicher durch zwei Bereiche bewegt habt, nur um dann im dritten doch erwischt zu werden und von vorn beginnen zu müssen. Moment … wirklich von vorn? Korrekt, von vorn. Ihr habt euch nicht verlesen. Nervfaktor: zu hoch!

In Blue Reflection: Second Light dreht sich längst nicht alles um Kämpfe. Viel Zeit verbringt ihr zwischen diesen mit sozialen Interaktionen. Eure Basis ist eine Schule, wo wir bei weiteren Atelier-Einflüssen angekommen sind. In der Schule könnt ihr craften und zudem neue Einrichtungen errichten. Zuvor müsst ihr natürlich das nötige Material beschaffen, welches ganz Atelier-like in den verschiedenen Arealen zu finden ist. Manches sammelt ihr in der Spielwelt auf, anderes wird von Gegnern hinterlassen. So umfangreich und tief wie in Atelier ist das System allerdings nicht.

Slice of Life ist eine wichtige Säule des Spiels. Ihr könnt die Mädchen zu sogenannten Dates einladen. Wer nun an creepy Dinge denkt, darf beruhigt sein. Ziel sind hier keine Romanzen und der Fanservice hält sich in Grenzen. Im Vergleich zum Vorgänger wurde dieser sogar zurückgeschraubt. Bei den Dates vertieft ihr die Freundschaften zu den Mädchen, indem ihr gemeinsame Zeit verbringt. Zum Beispiel bei Geplauder in der Bibliothek, beim gemeinsamen Lernen oder gemütlich auf der Sonnenliege. Natürlich zahlen sich die Dates für euch aus. Ihr erhaltet neue Fragmente, die euch verschiedenste Vorteile bringen, wenn ihr sie ausrüstet. Manchmal springt sogar ein neues Rezept für das Crafting bei raus oder gar ein Auftrag, um eine neue Einrichtung zu erbauen.

Während die Dates eher einen fröhlichen, unbeschwerten Ton anschlagen und oft mit Humor aufgepeppt sind, schlagen die persönlichen Geschichten der Charaktere eher düstere und ernste Töne an. Zu Spielbeginn hat nur die Protagonistin Erinnerungen an ihr Leben, bevor es sie in die mysteriöse Welt, die Schauplatz des Games ist, verschlagen hat. Die Erinnerungen eurer Begleiterinnen sind zunächst verborgen und ihr erfahrt nach und nach, von den Problemen der Mädchen. Dafür sammelt ihr sogenannte Memory Shards. Qualitativ schwankt die Charakterentwicklung ein wenig. Bei manchen Figuren ist den Entwicklern mehr Tiefgang gelungen, bei anderen eher wenig. Die Story ist generell nicht übermäßig tief oder gar komplex. Für Spielspaß sorgen vor allem das gelungene Kampfsystem und die Slice of Life-Elemente.

Gut gefallen hat mir, dass das Spiel recht umfangreiche Quality of Life-Features bietet, obwohl es keine High Budget JRPG-Produktion ist. So können Areale zum Beispiel einfach mit wenigen Klicks verlassen werden, wenn die Party nach einer Reihe von Kämpfen langsam ans Limit gerät und auch innerhalb der Schule könnt ihr schnell herumreisen. Dabei seht ihr in der Übersicht, wo euch Dates und Co. erwarten. Mit dem Fotomodus könnt ihr einige Erinnerungen an das Spiel festhalten. Der ist zwar rudimentär, aber erfüllt seinen Zweck. In der Datenbank werden Informationen über Items, Gegner und Co. festgehalten. So könnt ihr zum Beispiel nachsehen, wo ihr spezifische Materialien beschaffen könnt. Trotz überzeugenden QoL-Features, leidet das Pacing bisweilen. Unterm Strich ist es trotz Ecken und Kanten ein gutes JRPG, welches vor allem Genre-Fans ansprechen dürfte.

Mein Fazit:

Endlich wieder ein Magical Girl Rollenspiel, danke Gust. Der Magical Girl-Part kommt für meinen Geschmack teilweise fast schon zu kurz, trotzdem habe ich die Zeit mit dem Spiel genossen. Es ist ein gelungenes JRPG, mit einem soliden Kampfsystem, wenngleich dieses zu Beginn ein wenig sperrig ist. Höhepunkt dabei sind die One and One Kämpfe. Ansprechen dürfte dies vor allem Genre-Fans. Japanische (Rollen)spiele sind selten High Budget Produktionen und ihr solltet hier auch kein Tales of Arise oder Final Fantasy erwarten. Die Spiele von Gust haben selbst für JRPGs eher wenig Budget zur Verfügung. Die Massenmarkttauglichkeit eines Final Fantasy haben diese Spiele nicht. Für Genre-Fans kann dies die Sache umso interessanter machen

Slice of Life ist einer der wichtigsten Bausteine des Spiels. Wenn ihr gerade nicht kämpft, könnt ihr die Mädchen zu Dates einladen und werdet mit Fragmenten und so manchem Geistesblitz belohnt, der euch ein neues Crafting-Rezept oder gar die Blaupause für eine neue Einrichtung für den Ausbau eurer Schule beschert. Der Mix aus Magical Girl und Slice of Life kann überzeugen. Wer bei Letzterem an jede Menge creepy und weirde Situationen denkt, den kann ich beruhigen. Blue Reflection: Second Light zeigt sich hier von einer recht zahmen Seite. Wenn euch Spiele wie Senran Kagura (Reflexions) zu abgefahren sind, könnt ihr hier beruhigt aufatmen. Es gibt zwar auch hier die typischen Swimwear und Maid Kostüm DLCs, viel ausgefallener wird es aber nicht und die können schlicht ignoriert werden.

Bildquelle: Koei Tecmo via Koch Media

Offenlegung: Das Spiel wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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