FAR: Changing Tides

FAR: Changing Tides Review

Entwickler:         Okomotive
Publisher:          Frontier Foundry
Genre:              Puzzle Plattformer
Plattformen:        PC (Steam, Epic), Nintendo Switch, PlayStation 4 & 5, Xbox One & Series X|S
Preis:              ca. 19,99 Euro 
Sprachen:           Deutsch, Englisch und weitere (nur UI, Spiel ist nicht vertont)

Mein Schiff und ich

Manchmal braucht es nicht viel, um eine Geschichte zu erzählen. In FAR: Changing Tides reist ihr mit einem ungewöhnlichen Fahrzeug durch eine postapokalyptische Spielwelt. Ihr schlüpft in die Rolle des Jungen Toe, der zu Beginn des Abenteuers aufwacht und in einer überfluteten Welt sich selbst überlassen ist. Zunächst noch allein, findet Toe wenige Tauchgänge und Interaktionen später das erwähnte Fahrzeug. Ein merkwürdiges Vehikel, welches Toe über das Wasser trägt und später sogar abtauchen kann. Erklärungen oder gar ein vorgegebenes Ziel? Gibt es quasi nicht. Das Spiel beschränkt sich bei der Steuerung auf eine überschaubare Anzahl von Aktionen. Ihr könnt springen und interagieren. Zudem ein wenig mit der Sicht spielen, indem ihr rauszoomt oder näher ran und die Kamera leicht verschiebt. Damit sind die Möglichkeiten auch schon erschöpft.

Bereits der Vorgänger FAR: Lone Sails bewies eindrucksvoll, dass das völlig genügt. Wie aber sieht es mit dem Nachfolger aus? Funktioniert das recht minimalistische Spielprinzip ein zweites Mal? Im Kern sind sich beide Spiele recht ähnlich. Die größte Neuerung ist die Verlagerung auf und in das Wasser. FAR: Changing Tides setzt auf denselben recht schlichten und farblich zurückhaltenden optischen Stil des Vorgängers, tauscht aber das Setting aus. Der Detailgrad ist etwas höher, die Ähnlichkeit aber unverkennbar. Auch das Spielprinzip ist identisch. Kennt ihr den Vorgänger, wird euch Changing Tides diesbezüglich nicht überraschen. Ihr bewegt euch mit dem eigenartigen Fahrzeug gemächlich durch die Spielwelt, die euch während eurer Reise jede Menge Raum lässt, um eure Gedanken schweifen zu lassen. Im Hintergrund gleiten zerstörte Strukturen, Gebäude und Landschaften vorüber. Gelegentlich erspäht ihr sogar ein Tier.

Was mag zu dieser trostlosen postapokalyptischen Welt geführt haben? Seid ihr in der wirklich allein oder ist da draußen noch irgendwer? Was mag es wohl mit den stummen Zeugen der Vergangenheit auf sich haben? Windräder, Autos … ja sogar eine Eisenbahn und andere Entdeckungen lassen auf eine einst technologisch entwickelte Zivilisation schließen. Wer mag dort einst gelebt haben und wo sind diese Personen jetzt? Es liegt an euch, das Gesehene zu interpretieren. Das Spiel bietet keine Erklärungen, quasi keinen Text oder dergleichen. Zu Beginn eures Abenteuers werden ein paar Hinweise zur Steuerung eingeblendet. Alles andere findet ihr selbst heraus. Niemand steht am Wegesrand und erzählt euch etwas über die Spielwelt und warum sich diese in diesem Zustand befindet. Nur ihr tretet diese Reise an, begleitet von eurem Schiff.

Unterbrochen wird die immer wieder von Hindernissen. Seid ihr aufmerksam und erkennt die Vorboten, könnt ihr die Segel einholen. Wenn nicht? Auch nicht schlimm. Euer Schiff wird ein bisschen Schaden nehmen, den ihr behebt und gut ist. Es kommt nicht zu einem Game Over, schon gar nicht zu eurem Ableben. Erreicht ihr solche Abschnitte, müsst ihr schlichte Rätsel lösen, um die Weiterfahrt zu ermöglichen. Dafür verlasst ihr euer Schiff und erkundet kleine Bereiche der Spielwelt. Die Rätsel bestehen aus der Interaktion mit einigen Hebeln, Schaltern und Co., mit denen ihr Hindernisse aus dem Weg räumt und manchmal sogar die Möglichkeiten des Vehikels erweitert. Kopfnüsse solltet ihr nicht erwarten. Ich habe zwar manchmal etwas gebraucht, um auf die Lösung einzelner Rätsel zu kommen, aber viel Spielraum gibt es diesbezüglich nicht. Objekte mit denen ihr interagieren könnt sind farblich in einem dezenten Ton hervorgehoben. Ihr könnt zudem Gegenstände wie Kisten und Treibstoffkanister tragen. Im Zweifelsfall hilft hier ein bisschen rumprobieren und schon geht es weiter. Da das Spiel auf umfangreiche Erklärungen verzichtet, müsst ihr hier selbst ein wenig rumspielen.

Geht eure Reise weiter, wuselt ihr wieder über euer Gefährt. Wenn nötig repariert ihr, verstellt die Segel oder springt auf dem Blasebalg umher. Oder ihr steht einfach an Bord und werft einen Blick in die Umgebung. Das geschäftige Treiben macht Spaß, wenngleich es nicht komplex ist. Ein paar Objekte hier auflesen, ein bisschen Zeug verfeuern dort … Diese Aktivitäten halten euch während der Fahrt bei Laune. Falsch könnt ihr dabei letztlich nichts machen. Das Spiel gaukelt zwar so gewissermaßen eine Knappheit von Ressourcen vor, letztlich habt ihr aber von allem genug. FAR: Changing Tides ist kein Survival-Spiel und die überschaubare Menge an Treibstoff und Co. sind eher Stilmittel als komplexer Gameplay-Mechanismus. Sie unterstreichen euer virtuelles Dasein in der postapokalyptischen Welt, ohne euch vor spielerische Herausforderungen zu stellen. Die Ressourcen in dieser trostlosen Spielwelt sind begrenzt und ihr lest aus den Trümmern und Ruinen auf, was es noch aufzulesen gibt. Wenig genug, um dieses Gefühl zu vermitteln – genug, um euch nicht auf dem Trockenen sitzen zu lassen.

Wie auch sein Vorgänger ist FAR: Changing Tides ein gelungenes Spiel. Trotz aller Schlichtheit – oder gerade wegen dieser – bietet es eine schöne Erfahrung. Ein wenig unterscheidet die sich vom Vorgänger, da der Überraschungseffekt natürlich entfällt. Die Spielmechaniken sind geblieben, das Spielprinzip ist geblieben, der Artstyle ist geblieben. Wer den Vorgänger gespielt hat, kann dieses Spielgefühl also nicht völlig neu erfahren. Ist er dadurch ein wenig abgenutzt? Ja, das ist er. Trotzdem hat auch dieses Abenteuer Freude gemacht. Dies mag auch daran liegen, dass das vorherige Spiel inzwischen einige Jahre zurückliegt und die Erinnerungen, zumindest in meinem Fall, Gelegenheit zum Verblassen hatten. Viel zu kritisieren gibt es am Nachfolger nicht. Die etwas umfangreicher ausgefallene Länge hätte ich nicht unbedingt gebraucht. Durch die Schlichtheit der Rätsel stellte sich zeitweise Gleichgültigkeit ein und ich wollte einfach nur noch zum Ende kommen.

Mein Fazit:

Einsamkeit ist in Videospielen nicht unbedingt eine gute Sache. FAR: Changing Tides beweist, dass das Vorhandensein einer lebendigen und besiedelten Spielwelt kein Muss ist, um eine rührende Geschichte zu erzählen. Wie auch der Vorgänger FAR: Lone Sails lässt euch das Spiel dabei Spielraum, wie ihr diese interpretiert. Es gibt keine Dialoge, Textboxen und Co. sondern nur visuelle Eindrücke, begleitet von einem gelungenen Soundtrack. Was das Ziel eurer Reise in FAR: Changing Tides ist findet ihr erst heraus, wenn ihr es erreicht habt – was nach etwa fünf Stunden Spielzeit der Fall ist. Diese Ungewissheit ist ein Teil des Spielerlebnisses. Kennt ihr den Vorgänger bereits, ist der Zauber nicht mehr ganz so groß, der Überraschungseffekt dahin, da sich – außer dem Setting – wenig getan hat. Dennoch hat auch diese Reise Freude bereitet. Ein unaufgeregtes Spiel ohne viel Action und Drama.

Offenlegung: Das Spiel wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Bildquelle: Okomotive

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